Wer ich war und wer ich heute bin...
Ein gutbürgerlicher Lebensplan ist die Garantie für Glück, denken viele. Schon falsch.
Bis ich Schreibcoach und Autor geworden bin, bin ich mit meinen Plänen einige Male gescheitert.
Mein Plan A als junger Erwachsener: Kaufmännische Ausbildung und Studium der Wirtschaftsinformatik.
Nach dem Abitur – 1998 – startete ich mit einer Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und erkrankte zum ersten Mal an paranoider Schizophrenie.
Ich richtete mich wieder auf, absolvierte den Wehrdienst und schrieb mich an einer Uni für Wirtschaftsinformatik ein.
Der nächste psychotische Schub knockte mich 2001 aus. Ich beendete das Studium, stürzte in eine tiefe Depression, stabilisierte mich in einer Rehabilitationseinrichtung, nahm noch mal Anlauf und erlernte den Beruf des Bürokaufmanns. Kurz vor Ende der Ausbildung meldete ich mich zu einer Zusatzausbildung an.
Drei Monate später (2006) brach ich erschöpft ein. Mit Plan A war ich gescheitert, aber erst im Alter von 30 Jahren hatte ich realisiert, dass er nie mein eigener gewesen war.
Mein Plan B: Wenn Plan A nicht klappt, ist Plan B genauso gut. Und wenn Plan B nicht klappt? Nun, das Alphabet war vielleicht noch nicht zu Ende …
Ich griff die alte Leidenschaft des Schachspielens wieder auf, gewann einige Turniere und sammelte Erfahrungen als Trainer. In Grundschulen brachte ich Kindern Schach bei, Erwachsenen gab ich Einzelunterricht. Der Schachsport gab mir das Gefühl, trotz mangelnder Belastbarkeit leistungsfähig zu sein, und half mir, geordneter zu denken – keine schlechte Sache im Chaos namens Leben.
Leider entwickelte ich beim Schach eine Sucht, die die wirkliche Welt auf 64 Spielfelder reduzierte. Nahezu alles in meinem Kopf drehte sich um Schach.
Ich wollte so nicht weiterleben, brach alle Turniere ab und verließ den Schachverein.
Dann entdeckte ich die Freude am kreativen Schreiben. Mit dem Füllfederhalter Excalibur, tief über den Notizblock gebeugt, erfand ich Geschichten. Dank des Eintauchens in fantasievolle Welten und Figuren verstand ich das Leben und meine Rolle darin immer besser. Ich schrieb mich ins Leben zurück. Das Schreiben verlieh mir Flügel, veränderte mich und verwandelte mich zu dem, der ich heute bin.
Der Füllfederhalter und die Tastatur meines Notebooks hatten sich in Anker verwandelt, die mich mit Gott, der Welt und dem tiefsten Inneren verbanden – und mich zu der Brücke geführt, die mir den Weg zu meinem großen Traum wies: Ich wollte meine Reise von der Diagnose, über die ich mich viele Jahre definiert hatte, zum vollwertigen Menschen, als den ich mich immer mehr erlebe, für andere erfahrbar machen – mit „Fantasie“ und „Freude am Schreiben“ als Treibstoffe.
So kam es dazu, dass ich seit 2018 Menschen mit Krisenerfahrungen in Workshops begleite, um mit ihnen zu teilen, was für ein heilsamer Spaß die Kunst mit dem Stift ist.
Bei der Werkgemeinschaft Wiesbaden, der Uni Fulda, der Uni Mainz, beim „Wittgensteiner Miteinander“ und beim „Wittgensteiner Trialog“ nahm ich Interessierte bei Vorträgen auf meine Reise mit, um Ihnen mit meiner Geschichte Mut zu machen.
Zudem bin ich der Designer dieser Website und ein Autor, der das Ziel hat, seine Lebenserfahrungen zwischen Buchdeckeln unterzubringen – um anderen die Reise „Von der Diagnose zum Mensch“ einfacher und angenehmer zu gestalten, als sie es für mich gewesen ist. Dafür schreibe ich, dafür brenne ich. Dafür bin ich – dies ist meine Mission.
Dies alles bin ich also, doch es ist nur die gute Seite der Münze, und, nur die halbe Wahrheit, denn, wie du weißt, hat jede Münze eine Kehrseite:
Oft stehe ich mir selbst im Weg. Manchmal fehlt mir die Kraft, und ich breche erschöpft ein. Dann schaffe ich nicht 10 Prozent von dem, was ich mir vornehme, dann fehlt mir die Energie, den Abwasch und Papierkram zu erledigen. Dann schaffe ich es nicht einmal, mich zu einem kurzen Spaziergang aufzuraffen. Dann liege ich ermattet auf dem Sofa, sehe vor mir, was ich mir wünsche und realisiere schmerzhaft, dass ich mich mit meiner Erschöpfung immer weiter davon fortbewege. In diesen Phasen nagen schwere Selbstzweifel an mir.
Heute mache ich die Arbeit, von der ich vor langer Zeit geträumt habe, habe eine Partnerin, die mich annimmt und liebt, wie ich bin, habe Freunde, mit denen ich durchs Feuer gehe – trotzdem gibt es diese dunklen Stunden, die mich daran erinnern, was es bedeutet, am Boden zu sein, wie ich es früher oft gewesen bin. Dafür bin ich dankbar. Denn nur so verstehe ich, was es heißt, traurig und verzweifelt zu sein, nur so weiß ich, wie es ist, nicht mehr weiter zu wissen. Nur so kann ich mich in jene hineinversetzen, die Ähnliches durchmachen. Nur deswegen kann ich glaubhaft vermitteln, was für ein heilsamer Spaß es ist Geschichten zu schreiben.
Mir hat das Leben einige Male die Faust mitten ins Gesicht gerammt, beinahe hat es mir das Herz herausgerissen, und es gab Augenblicke, in denen ich nicht mehr gewollt habe.
Doch all das ist für etwas gut gewesen. Z. B. dazu, dass ich gelernt habe, dass diese Erfahrungen ein Teil von mir sind, dass ich aber aus mehr als aus ihnen bestehe – da es eben auch die gute Seite der Münze gibt:
Den fröhlichen, energievollen Sebastian, der seiner Mission folgt: Nicht als »der Schizophrene«, sondern als vollwertiger Mensch, der immer besser verinnerlicht, dass es sich lohnt, zu kämpfen, dass es nie zu spät ist, wieder aufzustehen, um seinen Träumen zu folgen, der versteht, dass am Ende alles für etwas gut ist, der weiß, dass allein der jetzige Moment es wert ist, bewusst gelebt zu werden.